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Die Himmelsscheibe von Nebra Neue Gedanken zur Deutung: Mondtäuschung, Mond- und Plejaden-Höchststand, Wandlung, Veränderung und magisches Denken von Dipl.-Psych. Stephan Mayer, Passau |
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Sonnenauf- und -untergangs zwischen Sommer und Winter. Das wird als ein Beleg für das astronomische Wissen der Menschen aus der Bronzezeit gewertet. Auch über die Lage der Scheibe mit dem dünnen goldenen Halbkreis unten (Deutung wegen der kleinen Einschnitte am Rand als Sonnenbarke mit Rudern – eine so häufig vorkommende Art der Darstellung im Altertum) und den Plejaden oben, besteht weitgehend Einigkeit, nachdem ursprünglich auch eine um 180 Grad gedrehte Lage diskutiert wurde – dann würde der dünne goldene Halbkreis oben stehen und möglicherweise die Milchstraße über den Plejaden darstellen. Ebenso gesichert erscheint die Erkenntnis, dass alle anderen Sternenpunkte außer den Plejaden nicht zufällig auf der Scheibe verteilt sind, sondern bewusst so, dass sie kein bekanntes anderes Sternbild darstellen. Ich verweise dazu insbesondere auf die Veröffentlichung von Prof. Dr. W. Schlosser, dem Leiter der astronomischen Untersuchungskommission zur Nebra-Himmelsscheibe, im „Sonderdruck Archäologie in Sachsen Anhalt – 1 – 2002“. Mit Professor Dr. W. Schlosser habe ich auch meine im Folgenden dargestellten neuen Gedanken zur Deutung der Himmelsscheibe von Nebra diskutiert und auch er hält sie für zutreffend. Mondtäuschung: Auffallend ist, dass auf der Himmelsscheibe von Nebra die Mondsichel deutlich größer dargestellt ist, als die als Sonne oder Vollmond gedeutete runde Scheibe nahe der Mitte. Dabei befindet sich diese Scheibe (dann wäre es die Vollmond-Scheibe) in „Zenitnähe“, die Mondsichel dagegen nahe am westlichen „Horizont“ (rechter Horizontbogen), wo der Mond untergeht. Es könnte sich also dabei auch um eine erste symbolische Darstellung der „Mondtäuschung“ aus der Bronzezeit handeln, eine Darstellung der Wandlung des Mondes, nicht nur vom Vollmond zur Mondsichel, sondern auch die der scheinbaren Größenänderung des Mondes in Abhängigkeit von seiner Stellung in Zenit- bzw. in Horizontnähe. Es ist bekannt, dass schon Ptolemäus (ca. 150 n. Chr.) von der Mondtäuschung berichtet hat, aber es wäre völlig neu, dass auch die Menschen der frühen Bronzezeit bereits dieser psychologischen Täuschung in der Größenwahrnehmung unterlegen sind, bzw. diese auf einer Wahrnehmungstäuschung beruhende Größenwahrnehmung so bewusst erlebt haben, dass sie diese dokumentierten. Die Darstellung auf der Himmelsscheibe von Nebra scheint mir ein deutlicher Hinweis genau darauf zu sein. Bei allen mir bekannten gemeinsamen Abbildungen von Sonne, Vollmond und Mondsichel aus der Antike sind die Sonne, der Vollmond und die Mondsichel jeweils annähernd gleich groß (oder nur mit geringem Größenunterschied) dargestellt. Das entspricht auch ihrer realen Größe am Firmament: Sonne, Vollmond und auch Mondsichel haben jeweils einen „Sehwinkel“ von 0,5 Grad. Nur auf der Himmelsscheibe von Nebra ist die Mondsichel deutlich viel größer dargestellt als die Sonne bzw. die Vollmondscheibe. Es wäre damit auch die früheste bekannte Darstellung einer psychologisch-optischen Täuschung und ein Beleg dafür, dass die psychologischen Prinzipien der Größen und Entfernungswahrnehmung beim Menschen vor 3.600 Jahren genauso abliefen wie beim heutigen Menschen. Letzteres ist zwar für die Psychologie in der menschlichen Phylogenese sicher nicht überraschend, aber eben doch vorher in keiner Weise belegt. Exkurs: Warum scheint der Mond (und auch die Sonne) am Horizont größer zu sein? Das ist eine klassische Frage aus der modernen Wahrnehmungspsychologie, bekannt unter dem Begriff „Mondtäuschung“. Es handelt sich offenbar um eine optische Täuschung, weil der Mond bzw. die Sonne auf Fotografien nicht vergrößert abgebildet werden: d.h. es ist nicht eine Folge der Refraktion an den Luftschichten, und es ist auch nicht eine Folge der „Rötung“ (viel mehr blaues als rotes Licht wird durch die „Rayleigh-Streuung” an den Atomen und Molekülen der Atmosphäre aus dem zum Beobachter gerichteten Strahlenbündel herausgestreut, so dass ein größerer Anteil an rotem Licht zum Auge des Beobachters gelangt), die von den meisten Laien als die Ursache angesehen werden, denn eine dadurch erfolgte Größenveränderung müsste auch auf einer Fotografie zu sehen sein. Es ist eine optische Täuschung (ausführlich dazu siehe: hier klicken ). Mondhöchststand: Wenn auf der Himmelsscheibe von Nebra die „Mondtäuschung“ dargestellt sein sollte, dann ist die runde Scheibe nahe der Mitte offenbar nicht die Sonne, sondern der Vollmond. Diese Vollmondscheibe befindet sich auf der Himmelsscheibe von Nebra deutlich abseits der Mitte. Wenn man nun die Himmelsscheibe als eine Darstellung des Firmaments ansieht mit dem Zenit (90 Grad Höhe) genau in der Mitte der Scheibe, befindet sich die Mitte der Vollmondscheibe ca. auf 67 Grad Höhe. Das entspricht auffallend dem Mondhöchststand, der „Kulminationshöhe des nördlichen Mondextrems“ auf dem geographischen Breitengrad von Nebra vor ca. 3600 Jahren. Siehe dazu in der Abbildung: der kleine Kreis A bezeichnet die Mitte (Zenit) der Himmelscheibe von Nebra, der kleine Kreis B ist die Mitte des Vollmondes, und der innere klein-gestrichelte Kreis ist die Kulminationshöhe des nördlichen Mondextrems. Der gestrichelte Kreis ganz außen am Rand markiert die „optimale Approximation der Nagellöcher = Horizont“ (Prof. Schlosser). |
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Dies wäre ein weiterer überraschender Beleg für das astronomische Wissen der Menschen in der frühen Bronzezeit, und auch dafür, dass die Himmelsscheibe in der Gegend des Fundortes hergestellt wurde und dort in Gebrauch war. |
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Wandlung – Veränderung: Wenn nun nicht nur die Extrempunkte von Sonnenaufgang im Sommer bzw. Winter (Horizontbögen) dargestellt sind, sondern auch die „Mondextrema“ kleiner Vollmond in Zenitnähe und große Sichel am Horizont, dazu die höchstmögliche Mondhöhe und Plejadenhöhe, könnte man dann das „Thema“ der Darstellung „Wandlung“ oder „Veränderung“ nennen ? Ist das Gemeinsame der dargestellten Symbole die Wandlung bzw. Veränderung ? Eine Darstellung der Wandlung des Mondes, nicht nur vom Vollmond zur Mondsichel, sondern auch eine Darstellung der Wandlung durch die scheinbare Größenänderung des Mondes in Abhängigkeit von seiner Stellung in Zenitnähe bzw. in Horizontnähe. Auch die „Sonnenbarke“, ein Schiff, hat ja in der Psychologie des Unbewussten und in der alten Mythologie oft die Bedeutung der Veränderung, vom Tag zur Nacht und wieder zum Tag, oder gilt z.B. auch als Symbolik des Übergangs vom Leben zum Tod und zur „Wiedergeburt“. Bei einer Veränderung, besonders einer periodisch wiederkehrenden, haben die Extrempunkte eine besondere Bedeutung, daher eventuell die Darstellung nicht nur der Extrempunkte von Sonnenaufgang im Sommer bzw. Winter (Horizontbögen), sondern auch der Kulminationshöhe von Vollmond und Plejaden. Magisches Denken: Unter „magischem Denken“ versteht man in der modernen Psychologie den Glauben auch noch vieler heutiger Menschen, dass der Mensch mit seinem Denken oder mit seinen Handlungen auf naturwissenschaftlich unerklärbare Weise andere Menschen, die Natur oder das Schicksal beeinflussen kann. In der Vorgeschichte und bei Naturvölkern haben „Schamanen“, „Heiler“, „Hohepriester“ oder „Medizinmänner“ so z.B. versucht, das Wetter zu beeinflussen, Krankheiten zu heilen oder Ernte-Erfolg für den Stamm durch Rituale mit magischen Gegenständen zu erzielen. Bekannt ist, dass solche Darstellungen wie die Himmelsscheibe von Nebra in der menschlichen Geschichte auch kultische Gegenstände waren, und diese kultische Darstellung hatte etwas zu tun mit dem, was die Menschen damals benötigten, nämlich Hinweise aus dem Sternenhimmel für den Stand der Jahreszeit. Darstellungszweck war aber sicher nicht, eine Beobachtung von Mond und Plejaden zu erleichtern - nicht so, wie ein Amateurastronom heute eine „drehbare Sternenkarte“ verwendet. Ich denke, dass so ein kultischer Gegenstand wie die Himmelsscheibe von Nebra vermutlich auch einen „magischen“ Charakter hatte: der Versuch, durch eine bildhafte Darstellung das rational damals noch nicht verständliche und deswegen möglicherweise beängstigende Geschehen (Wandlung des Sternenhimmels) „in den Griff“ zu bekommen, der Versuch, das Geschehen durch Rituale mit einem so wertvollen Gegenstand wie der Sternenscheibe beeinflussen zu können. So wie es bei den vorgeschichtlichen Höhlenmalereien auch die Überlegung gibt, dass die damaligen Menschen durch die Darstellung von Tieren ihren Jagderfolg verbessern wollten (magisches Denken). Auch aus der Psychologie gibt es die Erfahrung, dass man bei Kindern, die auch wegen des nicht so entwickelten rationalen Verstandes noch sehr im magischen Denken verhaftet sind, beispielsweise nächtliche Ängste durch das Zeichnen/Malen der Angst machenden Gestalten reduzieren kann, weil sie dadurch sichtbar und „be-greifbar“ gemacht werden. Für den „magischen Charakter“ der Himmelscheibe spricht auch der Aufbewahrungsort inmitten einer „gesicherten“ Anlage, die wohl nur von ausgewählten Menschen betreten werden durfte. Dieser magische Hintergrund würde verständlich machen, warum auf der Himmelscheibe von Nebra Wandlung und Veränderung dargestellt wurden. |
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Diese “Gedanken zur psychologischen Interpretation der Himmelsscheibe von Nebra” wurden veröffentlicht in der Zeitschrift “NightSky 4/2004” und (leicht verändert) in der Zeitschrift “Megalithos 3/2004” |
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externe Links zur Himmelscheibe von Nebra: Manfred Feller und Johannes Koch: Geheimnis der Himmelsscheibe doch nicht gelöst? Warum die angebliche Entschlüsselung der Himmelsscheibe durch R. Hansen und H. Meller falsch ist. und: http://www.nebra-himmelsscheibe.de/Koch-2007-Nebra.pdf |
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